Pressestimmen zur Show 'CRAZY COMEDY - Das Wintervarieté'
Aggregatzustände des Lachens
Peter Korfmacher, Leipziger Volkszeitung, 06.11.2021
(…) Da ist auf der einen Seite die bezaubernde Carola Kärcher aus Deutschland, die mit ihren Händen Schattenbilder von atemberaubender Schlichtheit, Naivität und Poesie malt, die verliebte Hasen aus dem Hut zaubert oder einen schwimmenden Franzosen, der unverkennbar das Profil von Franz Josef Strauß hat, mit einem Hai konfrontiert. Da ist auf der anderen Seite der zugewachsene Hüne Thomas Staath aus Frankreich, der mit zentnerschweren Autoreifen jongliert und an der Stange entlangklettert und -gleitet, als gäbe es die Gravitation nicht.
Da ist Nata Galkina, ebenfalls aus Frankreich, mit minimalistischem Fußtheater und – festgezurrt auf der Gymnastikliege – mit absurden Fuß-Jonglagen und Zeh-Theater fürs feine Lächeln zuständig. Da zeichnen The Amazing Other, Lalla la Cour und Eivind Øverland aus Dänemark und Norwegen für den derben Klamauk verantwortlich, derweil sie sich in ihrer rasanten Doppeltrapez-Nummer auf den Spuren von Wrestling-Schreihälsen aus den 90ern gegenseitig malträtieren.
Da sind Mawarimichi aus Japan mit ihrer Comedy-Magie, die absurdes Theater mit verblüffenden Neu-Interpretationen illusionistischer Klassiker verbindet, gleichermaßen fürs Staunen wie fürs Lachen gut; da sorgt Ugo Sanchez Jr. aus Italien mit seiner schlimmen Frisur, grandiosem Kunstgurgeln und dem stattlichen Arsenal grellbunter Wasser-Pumpguns im Publikum nicht nur für Lachtränenfeuchte Augenwinkel.
Da untermalen schließlich TriOle mit dem fabelhaften Sergej Sweschinski an Bässen und Spielzeugklavier, dem sensationellen Oleg Nehls am Knopfakkordeon und wechselnden Geigerinnen mit treibenden Rhythmen und bei aller Ausgelassenheit und Virtuosität immer ein wenig melancholisch eingefärbten Melodien endlich wieder live für die musikalische Grundierung einer Varieté-Show. (...)
(...) Mit Hilfe dieser Live-Combo und der gemeinsamen Auftritte, herrlich albernen Choreographien (Michela Samaki Pesce) und absurd wimmelnden Tableaux, hält Urs Jäckle den Abend zusammen. Und natürlich mit dem Witz, den die Nummern über knapp zwei Stunden allesamt sicher entfalten. Denn dieses Varieté braucht keine Conférencen, keine fadenscheinige Rahmenhandlung, es wird abgebunden durch die verschiedenen Aggregatzustände des Lachens im Saal, die zwischen Schmunzeln, Kichern, Glucksen und Gebrüll keine Nuance ungenutzt lassen. Nur hin und wieder unterbrochen werden von spitzen Schreien begeisterter Erregung am Mädels-Tisch rechts vorn im Angesicht der Muskelgebirge auf den Körpern Eivind Øverlands und Thomas Staaths.
Mehr will diese „Crazy Comedy“ nicht. Spaß soll sie machen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und es gibt wenig, was wir alle im Moment dringender benötigten als einen solchen unbeschwerten Abend.
Die Schrankwand trägt Tutu
Peter Korfmacher, Leipziger Volkszeitung, 12.08.2023
„Crazy Comedy“ im Leipziger Krystallpalast. Eine neue Show, die unwiderstehlich ist.
[Sie] ist die letzte Wiederaufnahme einer coronal ausgebremsten Show. (…) Schön, dass „Crazy Comedy“ eine zweite Chance bekommt. Denn die Show ist eine der unterhaltsamsten der letzten Jahre. Und sie ist knapp zwei Jahre nach dem unverschuldeten Fehlstart eine ziemlich andere geworden. (…) Zwar ist Urs Jäckles Perlenschnur-Konzept der atemlosen Nummernfolge „ohne Worte“ gleichgeblieben. Doch selbst die Highlights von 2021 haben sich seither nicht unerheblich verändert. Da ist zum Beispiel Thomas Staath aus Frankreich, der mit seiner animalischen Reifen-Jonglage und der atemberaubenden Souveränität, mit der er am Chinesischen Mast schwebt, die Schwerkraft Schwerkraft sein lässt.
(…) Und dass diese wandelnde Schrankwand mit ZZ-Top-Gesichtsschmuck neuerdings Tutu trägt, macht die Sache nur noch komischer. Noch komischer, das kann Ugo Sanchez jr. aus Italien kaum noch werden: Eine spektakulär schlimme Steh-Frisur überm Kurzhosen-Smoking zu Ringelstrümpfen trifft da auf einen Humor zwischen Anarchie und Nihilismus.
(…) Lalla la Cour und Eivind Øverland aus Dänemark und Norwegen waren als „The Amazing Other“ ebenfalls vor knapp zwei Jahren bereits dabei. Aber auch ihre so virtuose wie abseitige Wrestling-Persiflage am Trapez hat seither nichts von ihrer Frische verloren. Und schon gar nicht die dadaistische Illusionistik des Duos Mawarimichi aus Japan, das magische Klassiker gleichzeitig marginalisiert und überhöht. (…) Denis Kopov aus Russland beispielsweise hat zwar seit der Newcomershow 2016 immer mal wieder im Krystallpalast auf der Bühne gestanden, passte aber seither kaum je so präzise in ein Konzept wie mit dem staunenswerten Trash seiner Glasharfe „Somewhere Over the Rainbow“ (…).
La Popi aus Argentinien stellte sich ebenfalls in einer Newcomershow des Krystallpalast Varietés dem Leipziger Publikum vor. Nun schmiegt sich die hinreißende Handstand-mit-Bällen-Virtuosin mit ihrer ziemlich einzigartigen Mischung aus Anmut und Anzüglichkeit, Poesie und Absurdität in ein Konzept, das gekonnt so tut, als habe es keins. Bliebe noch als Krystallpalast-Neuling in dieser Show Javier Jama aus Spanien, der in seiner Nummer an den multiplen Lichtketten beinahe verschwindet in dem Beleuchtungs-Brimborium, das er da anrichtet, der aber später in den Ketten unbändige Kraft und feine Eleganz subtil zueinander bringt. Und Olga Golubeva aus Russland, die elfenhaft auf Spitze über Wein- und Sektkelche schwebt und elegant im Lufttuch unter der Decke des Leipziger Varietes.